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Tollkirsche

Früchte Tollkirsche

Tollkirsche

(Atropa)

Gattung der Familie Nachtschattengewächse, mit 5 spaltigem Kelche, kurzröhriger, walzig-glockiger Blume, deren Saum 5 spaltig ist, auf welche eine saftige, 2 fächerige und vielsamige Beere folgt.



Gemeine Tollkirsche

(A. Belladonna)

Tollkraut, Wutkirsche, Wolfskirsche, Tollbeere, Teufelsbeere, hat eine dicke, walzig-spindelige, ästig und stark bezaserte, sowie schwach geringelte Wurzel, die außen schmutzig-gelblich, innen fleischig und weiß ist. Der 1 – 1 ½ Meter und höher werdende Stengel ist stielrund, schwach gerillt und rötlich-braun überlaufen. Die Blätter an dem Stengel und an den Hauptästen sind wechselständig, an den übrigen Ästen jedoch gepaart und dann ist das eine um die Hälfte kleiner, in seinem Winkel die Blüte tragend. Die Kelchzipfel sind eirund und zugespitzt, die 3 cm lange Blüte ist unten trübgelb, mit bräunlichen Adern durchzogen und nach oben schmutzig violettbraun. Da die Staubfäden an ihrem Grunde zottig sind, so verschließen sie die Röhre. Die auf dem vergrößerten und ausgebreiteten Kelche sitzende Beere hat die Größe einer Kirsche, ist glänzend schwarz und enthält einen violettroten Saft.

Wächst in Gebirgswäldern, vorzüglich in Laubholzschlägen im mittleren und südlichen Europa und blüht vom Juni bis August.

Von dieser Pflanze sind die frischen und trockenen Blätter — Tollkirschenblätter, Belladonnablätter oder Tollkirschenkraut und die getrocknete Wurzel — Belladonnawurzel oder Tollkirschenwurzel — gebräuchlich.

Die Blätter, welche zu Anfang der Blütezeit womöglich von wild wachsenden, nicht zu jungen Pflanzen gesammelt werden sollen, fühlen sich im frischen Zustande wegen der Drüsenhaare etwas weich und schmierig, an, sind getrocknet dünn, oberseits bräunlich-grün, unterseits heller grau-grün. Dieselben sind ferner geruchlos und haben einen fad-bitterlichen etwas scharfen Geschmack, dabei enthalten sie wie die Wurzel ein kristallisierbares Alkaloid, das Atropin.
Die Wurzel, welche meist der Länge nach gespalten vorkommt, schrumpft beim Trocknen zusammen und erscheint dann mehr ober weniger quer- oder längsrunzelig, ist außen schmutzig graubraun, innen heller weißlich oder graulich, dabei ziemlich hart und fest und auf dem Querschnitt weißlich, wobei sie oft auf der Grenze zwischen Rinde und Kern einen bräunlichen Kreis oder solche Punkte zeigt. Sie ist ebenfalls geruchlos, schmeckt aber ekelhaft bitterlich, zum Teil schwach süßlich, etwas reizend, ein Gefühl von Zusammenschnüren im Schlund hinterlassend.

Jodtinktur färbt sie schwarz-blau, Gallustinktur bewirkt im wässerigen Aufguss einen starken weißlichen fleckigen Niederschlag. Sie soll im Frühling oder im Spätsommer nach der Fruchtreife ausgegraben werden.



Anwendung

Blätter und Wurzel gehören zu den heftigsten, scharf-betäubenden Arzneimitteln, wirken in kleinen Gaben zuerst herabstimmend auf die krankhaft erhöhte Empfindlichkeit, dann aber erregend auf das Nervensystem, die Tätigkeit im Gefässsystem steigernd und die Absonderungen der Haut und Nieren vermehrend, in größeren Gaben einen rauschähnlichen Zustand bis zum Grade der Tobsucht erzeugend, im höchsten Grade der Wirkung unter den Zeichen von Lähmung und Betäubung den Tod verursachend, worauf der Körper sehr schnell in Auflösung übergeht.

Dieselben werden bei verschiedenen langwierigen Nervenleiden, beim Keuchhusten, bei Fallsucht, krampfhaften Zufällen, ferner bei Drüsengeschwülsten, bei krebshaften Geschwüren, bei Gicht, Wassersucht, als Schutzmittel gegen Scharlachfieber, auch als Unterstützungsmittel bei der Wasserscheu angewendet.

Innerlich wird das Pulver der Blätter und Wurzel und von den getrockneten Blättern der geistige, seltener der Auszug der frischen Blätter oder die Essenz verordnet. Äußerlich wendet man die Blätter zu Bähungen und Einspritzungen oder auch in Salbenform bei schmerzhaften Geschwülsten, bei Augenkrankheiten, zur Erweiterung der Pupille bei chirurgischen Operationen am Auge, und zur Eröffnung krampfhaft geschlossener Schließmuskeln, namentlich des Muttermundes bei schweren Geburten an. Die Espic’schen Brust-Zigaretten, die gegen Asthma so sehr gerühmt werden, enthalten Tollkirschblätter. Auch das dicke Fließpapier der Umhüllung ist mit Kirschlorbeerwasser getränkt.

In der Homöopathie wird die zu Anfang der Blütezeit aus dem frisch gepressten Safte der ganzen Pflanze bereitete Tinktur gegen sehr viele Krankheitsformen, doch selten für sich allein, sondern meist abwechselnd mit anderen Mitteln angewendet, so bei vereinzelt auftretenden nervösen Fiebern und einigen Wechselfiebern, bei mancherlei Krampfhusten und Entzündungskrankheiten, bei Geisteskrankheiten, Gehirnwassersucht, verschiedenen Augenleiden, als Amanrose, Gesichtsschwäche, Hornhautflecken, Brustleiden verschiedener Art, namentlich bei Lungenschwindsucht, bei vielen Krankheiten der weiblichen Geschlechtsteile, Rheumatismen, Gicht, Skropheln, Krebs, englischer Krankheit, Knochenkrankheiten, Lähmung der Unterleibsbeschwerden, Hämorrhoiden, Cholera, Gelbsucht, Schlagfluss, Schlafsucht und Schlaflosigkeit, bei Scharlach, Friesel, Masern, Pocken, bei China- und Quecksilbersiechtum, als Vorbauungsmittel gegen Wasserscheu empfohlen.

Man gibt 1 – 2 Tropfen der 1., 2., 3., 6., 12. Verdünnung alle 2, 3, 4, 6, 8, 12 Stunden in hitzigen und 1 – 2 mal täglich in langwierigen Krankheiten bei an Wasserscheu Leidenden, außer dein inneren Gebrauch von 1 – 2 Tropfen der 1. Verdünnung in 2 – 3 stündigen Wiederholungen, öfter Benetzung der Bisswunde mittelst etlichen Tropfen der 1. Verdünnung nach vorgängigem, sorgfältigem Ausbrennen der Bisswunde. Bei Brucheinklemmungen sind gleichzeitig Klistiere aus 1 – 2 Tropfen der Tinktur auf 120 g Wasser ratsam.

Bei krampfhaften Zusammenziehungen des Muttermundes bedient man sich äußerlich der Belladonnatinktur zu 1 – 2 Tropfen mit einigen Gramm Wasser vermischt. Ausdrücklich warnen wir vor allzu häufigem und sorglosem Gebrauch der Tinktur in so vielen Fällen, wo solche von Pfuschern und Schwindlern angepriesen wird, aber nur Unheil anstiften kann.




In der Tierheilkunde wird dieses Mittel bei verschiedenen Krankheiten des Nervensystems, doch meistens ohne Erfolg, angewendet. Der Sicherheit wegen, mit welcher die Belladonna eine Erweiterung der Pupille bedingt und ihrer schmerzstillenden Wirkung wegen wird sie bei der Regenbogenhaut und inneren Augenentzündung mit Vorteil angewendet.

Innerlich gibt man die getrockneten Blätter Pferden und Rindern zu 7 ½ – 30 g, Schafen und Schweinen 3 ¾ – 15 g, Hunden zu 0,05 bis 1,25 g. Die trockene Wurzel, aber nur in dem 3ten Teile dieser Gabe, in heißbereitetem Aufguss, oder Pillen, oder in Latwergenform, entweder allein, oder mit passenden Mitteln, z. B. Mittelsalzen, oder Kalomel, verbunden. Von dem frischen Kraute rechnet man ungefähr das 3 fache Gewicht von dem trockenen Kraute auf eine Gabe.

Äußerlich verwendet man die Blätter und den aus ihnen bereiteten weingeistigen Auszug bei Augenentzündungen, bei schmerzhaften Geschwülsten, bei Krumpfen, insbesondere des Blasenhalses, wo der Auszug auf das Mittelfleisch und um den After eingerieben wird, bei krampfhaften Verschließungen des Muttermundes während des Geburtsvorganges. In ähnlichen Fällen kann auch die Belladonnatinktur Anwendung finden.

Die homöopathischen Tierärzte wenden dieses Mittel gegen Wutkrankheit, bei Milzbrand, bei Gehirn-Schlagfluss, bei Blutandrang nach demGehirn, bei Schwindel, katarrhalischer und rheumatischer Augenentzündung, bei Bräune, Halsentzündung, bei Entzündung der Schleimhaut des harten Gaumens, bei Entzündung der Ohrspeicheldrüse, bei der Grippe und Druse der Pferde, gegen die Staupe der Hunde, bei der Maulsperre junger Tiere, bei Kolik, Entzündung der Gebärmutter, Euterentzündung und bei Rotlauf an.
Man gibt 3. – 6. Verdünnung.

Bildnachweis: By Kurt Stüber [1] [GFDL or CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

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